Wirtschaftsspiegel Thüringen - Ausgabe 5/15 - page 68

Gesundheitswesen
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Foto: TK
Elektronische Patientenakten, Online-Sprechstunden oder Gesundheits-Apps:
Das Schlagwort "Digitalisierung" ist in der deutschen Gesundheitsversorgung
nicht mehr wegzudenken. In Thüringen sollten wir Telemedizin gegenüber be-
sonders aufgeschlossen sein, denn sie kann die drängenden Probleme der
Gesundheitsversorgung, vor allem im ländlichen Raum, entscheidend abfedern.
Telemedizin bringt Chancen für
Thüringer Gesundheitswesen
Im Freistaat müssen wir mehr als in an-
deren Bundesländern der Realität im-
mer weniger niedergelassener Ärzte für
immer mehr ältere Menschen begeg-
nen. Zudem ist absehbar, dass auf
Dauer nicht jede Klinik jede Spezialab-
teilung behalten kann, weil es schlicht
nicht finanzierbar ist. Also heißt es:
Ressourcen – konkret Fachärzte und
deren Wissen – an geeigneter Stelle fo-
kussieren und möglichst vielen auf brei-
ter Fläche verfügbar machen. Nicht
rund um die Uhr vorhalten, sondern im
Spezialfall ansprechbar sein.
Dafür sind telemedizinische Anwen-
dungen ein sinnvolles Werkzeug. Sie
können und sollen weder einen Arzt
noch den Kontakt zwischen Menschen
ersetzen. Gerade menschliche Zuwen-
dung ist ein wichtiger Bestandteil von
Heilungsprozessen. Aber was spräche
dagegen, dass ein Hausarzt seinen Patienten nicht für
jeden Zwischenbefund oder jede Kontrolle persönlich
trifft? Dafür spezialisierte Fachangestellte überneh-
men Verlaufskontrollen und Nachbehandlungen. Wer-
den Rückfragen an den Arzt nötig, nehmen sie dafür
entweder die Symptome des Patienten mit dem digi-
talen Helfer auf oder fragen direkt über Videoschal-
tung.
Auch Online-Video-Sprechstunden sind möglich. Wie
das im Praxisalltag für Dermatologen und ihre Patien-
ten klappt, erprobt die Techniker Krankenkasse (TK)
gerade in einem Pilotprojekt.
Erfolgsbeispiel „made in Thuringia“
Es gibt bereits Beispiele in Thüringen, wie E-Health-
Angebote sinnvoll für die Versorgung genutzt werden
können. Das „Schlaganfall Telemedizin Netzwerk in
Thüringen“, kurz: SATELIT, das am Universitätsklini-
kum Jena (UKJ) koordiniert wird, ist eines davon. Kran-
kenhäuser, die über keine sogenannte Stroke Unit
(Schlaganfallspezialstation) verfügen, können über
Videokonferenz die Meinung von Ex-
perten einholen. Verdachtsfälle werden
so schnell geklärt und die Patienten
können behandelt werden, ohne wert-
volle Zeit zu verlieren. Am UKJ und im
Klinikum Altenburger Land ist rund um
die Uhr mindestens ein Neurologe an-
sprechbar, um die von ihnen betreuten
Kliniken zu beraten. Für einzelne Klini-
ken ist eine 24-Stunden-sieben-Tage-
die-Woche-Spezialistenbesetzung kaum
möglich. Auch wenn der Schlaganfall-
experte und die entsprechende Ausstat-
tung – zum Glück – nicht ständig
gebraucht würden, müssten sie vorge-
halten und finanziert werden, um im
Ernstfall bereit zu sein.
Technische Basis und
Rechtssicherheit schaffen
Dass elektronische Unterstützung in der
breiten Gesundheitsversorgung ange-
kommen ist, zeigen nicht zuletzt die ak-
tuellen Diskussionen über das E-Health-
Gesetz, dass 2016 in Kraft treten soll.
„Der im Gesetz vorgesehene Ansatz, die
Telematik-Intrastruktur als gemeinsa-
mes, zentrales Vernetzungsinstrument
im Gesundheitswesen zu etablieren, ist
sinnvoll“, sagt Guido Dressel, Leiter der
TK-Landesvertretung Thüringen. „Die-
ses flächendeckende Netzwerk sollte
schnellstmöglich umgesetzt werden, da
es die Voraussetzung für alle weiteren
Anwendungen ist.“ Wenn medizinische
Daten dann technisch übertragen wer-
den, müssen sich die Anforderungen an
den Datenschutz und die Sicherheit an
höchsten Maßstäben messen lassen.
„Der Schutz von Sozialdaten ist grund-
legend“, sagt Dressel. „Datenschutz-
bedenken dürfen aber nicht dazu füh-
ren, die Weiterentwicklung elektroni-
scher Systeme im Gesundheitswesen zu
behindern oder gar zu stoppen, wie im
Falle der elektronischen Gesundheits-
karte jahrelang zu beobachten war.“
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